Schön hell und schön warm

Liebe Schwestern und Brüder,

„Wie wird es einmal im Himmel sein?“, fragt besorgt eine betagte Großmutter. „Ganz genau kann ich ihnen das auch nicht sagen“, antwortet der Pfarrer, „aber dort ist es bestimmt schön hell und schön warm.“

Leben nach dem Tod – wie sieht es aus? Wenn Sie einmal unterschiedliche Vorstellungen vom Leben nach dem Tod nachvollziehen wollen, dann besuchen Sie einmal das Pantheon in Rom. Noch heute wird es als eines der bedeutendsten und sehr gut erhaltenen Bauwerke der Antike von vielen bestaunt. 27 Jahre vor Christi Geburt wurde es von Marcus Agrippa, Schwiegersohn des Kaisers Augustus, den allerheiligsten Planetengöttern gewidmet. Darunter sind Gottheiten wie Apollo, Diana, Jupiter, Mars, Merkur, Saturn, Venus und viele andere zu verstehen. Der Götterhimmel der römischen Mythologie, der sich stark an dem der griechischen Götterwelt orientierte, war sehr umfangreich. In den Vorstellungen der Leute konnten diese Gottheiten ganz schön bösartig sein und den Menschen gehörig Angst einjagen. Heilige in unserem christlichen Verständnis waren sie jedenfalls nicht. Zudem haben sie als menschliche Phantasiefiguren nie wirklich gelebt.

Mit dem Christentum ändert sich das Gottesbild. Der Himmel der vielen Götter reduziert sich nun auf den einen Gott. Zudem wird Gott Mensch – in Jesus Christus. Er wird eine streng geschichtliche Gestalt – einer von uns. Die Veränderungen des Gottesbildes wirken sich aus auch beim Pantheon. In seinem Innern löst ein eigens angefertigtes Marienbild die heidnischen Götterstandbilder ab. Es zeigt die Gottesmutter, wie sie ihren Sohn Jesus als den Messias der Welt in ihren Armen hält. Zu Ehren der Gottesmutter Maria, aller hl. Märtyrer sowie aller Heiligen wird der Pantheon im Jahr 609 zu einer Kirche geweiht. Als Festtag wird später der 1. November festgesetzt. Die Wiege unseres noch heute weltweit begangenen Allerheiligenfestes ist in diesem antiken römischen Bauwerk zu finden.

Als wenn die vielen Besucher eine Ahnung davon hätten, strömen sie in Scharen in dieses altehrwürdige Gotteshaus. Für alle sterblichen Menschen hat das Fest Allerheiligen sehr viel mit der eigenen Lebensgeschichte zu tun. Es geht nicht allein um das gewandelte Gottesbild. Es wandelt sich ebenso die Vorstellung, was mit dem Menschen nach dem Tod geschieht. Die alte Götterwelt der Mythologie hatte da nicht viel zu bieten. Weit verbreitet war die Vorstellung, der Mensch komme mit seinem Sterben in den Bereich der Unterwelt. Das Reich der Toten war immer auch das unheimliche Reich der Schatten. Die Gestalten der griechischen Mythologie Orpheus und Eurydike sind da beispielhaft. Bekanntermaßen musste der Sänger und Dichter Orpheus seine Geliebte Eurydike in der Unterwelt zurücklassen. Von einem Lichtstrahl der Hoffnung keine Spur.

Ganz anders die Botschaft des Christentums. Wer stirbt, den erwartet nicht das Reich der Schatten. Wer stirbt, wird hineingenommen in eine Welt des Lichtes. Wenn Jesus sagt: „Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt“ (Joh 12,46), dann setzt sich die Welt des Lichtes in der Ewigkeit fort. Als Auferstandener nimmt Christus die Verstorbenen als seine Erlösten mit. Als Heilige, wie wir sie auch bezeichnen, leben sie in einer anderen, in einer besseren Welt: „Schön hell und schön warm“ könnte man tatsächlich sagen. Jeder gönnt es ihnen, und irgendwie wünschen wir es uns selber ja auch einmal.

„Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,8) bekennt der Apostel Paulus. Er kann es sagen aufgrund der Auferstehung Jesu. Ostern kennt keine Dunkelheit. Der Auferstandene geht uns als das Licht des Lebens voran und nimmt uns mit dorthin, wo es keine Dunkelheit, keine Trauer und keinen Schmerz mehr gibt.

Allerheiligen ist tatsächlich ein großartiges Fest. Allerheiligen ist das Osterfest des Herbstes. Deswegen nehmen Friedhofsbesucher zum Fest Allerheiligen in bevorzugter Weise Kerzen mit und entzünden sie auf den Gräbern ihrer Lieben. Das Ewige Licht will unseren Heimgegangen für immer leuchten. Denn während wir hier noch trauern, brennt im Festsaal der Ewigkeit bereits das Licht. Dort wird bereits getanzt.

Pfarrer Wolfgang Guttmann