Das Leben meint es gut mit Dänen …

Im Mittelpunkt des diesjährigen Quickborner Ausländerfestes stand Dänemark:

Liebe Schwestern und Brüder,

vielleicht kann sich jemand von Ihnen an einen Schlager aus dem Jahr 1976 erinnern, gesungen von Vivi Bach und Dietmar Schönherr. Der Text: „Das Leben meint es gut mit Dänen und mit denen, denen Dänen nahe stehen“. Mit diesem witzigen Wortspiel priesen die beiden Unterhaltungskünstler die Vorzüge und den Charme unseres nördlichen Nachbarlandes. Die Lebensart der Dänen ist, das ist bekannt, tatsächlich eine ganz eigene. Dazu passt das Ergebnis einer in diesem Jahr 2016 veröffentlichten Umfrage. Sie bestätigt: die Dänen sind die glücklichsten Menschen der Welt. Das will schon was heißen. Die Lebensart der Dänen ist tatsächlich eine ganz besondere. Das erfährt auch jeder Reisende: sobald die Grenze auf der Höhe Flensburg oder Puttgarden in Richtung Norden passiert ist, taucht man in eine andere Welt.

Der Schlagertext geht natürlich weiter, und zwar: „Kommst du einmal nach Kopenhagen, ja dann wirst du es sehn, dann wirst du es selber sagen, dass die Dänen zu leben verstehn.“

Wer nach Kopenhagen kommt, macht tatsächlich eine überraschende Entdeckung: nicht die Autofahrer sind beherrschender Teil des Straßenverkehrs, sondern die Radfahrer. Kopenhagen gehört zu den fahrradfreundlichsten Städten der Welt. Schon wer sich auf dem Hinweg zum Ballungsraum Kopenhagen befindet, spürt: in Dänemark lebt es sich ein Stück bedächtiger, ruhiger. Manche sagen dazu auch Entschleunigung. Das spürt man auch bei der Fahrweise der Dänen: längst nicht so hektisch wie in anderen europäischen Ländern.

Wer als Besucher nach Dänemark kommt, den beflügeln verlockende Urlaubsgefühle. Dänemark ist ein Land für Urlauber. Unzählige idyllisch gelegene Ferienhäuser an Nord- und Ostseeküste laden ein. Und fast an jedem Haus weht die Flagge, die Nationalflagge: ein durchgehend roter Grund und darauf eingelassen ein weißes Kreuz. Die Dänen zeigen gern Flagge, sie sind stolz auf ihre Nationalflagge. Ihr Dannebrok, wie die Dänen sie nennen, was so viel heißt wie „Dänisches Tuch“, gehört zu den ältesten Flaggen der Welt. Bereits im 14. Jh. wird diese leuchtend rote Flagge mit dem weißen christlichen Kreuz urkundlich erwähnt. Möglicherweise ist sie auch schon um das Jahr 1000 entstanden, denn als Datum der Christianisierung Dänemarks gilt die Taufe König Harald Blauzahns (910-987) im Jahr 965. Er habe, so steht es auf einem Runenstein, „die Dänen zu Christen gemacht“. So fing der christliche Glaube bei unseren nördlichen Nachbarn an.

Wenige Jahrzehnte später wird König Knud von Dänemark (1040-1086) christliche Missionare ins Land kommen lassen und für den Bau von Kirchen sorgen. So sollte der christliche Glaube unter den Wikingern Verbreitung finden. Endlich gelang das, worum sich bereits Bischof Ansgar 150 Jahre zuvor von Hamburg aus vergeblich bemühte. Damals wurde Hamburg und das Umland selber noch Opfer der heidnischen Wikinger.

König Knud war jedoch kein bequemer Herrscher, manche Untertanen duldeten keinen christlichen König. In Odense auf der Insel Fünen lehnten sie sich gegen ihn auf und erschlugen ihn während des Gottesdienstes. Über seinem Grab in Odense baute man sogleich die Knudskathedrale. König Knud wird seitdem als Märtyrer verehrt und gilt als heiliger Patron Dänemarks.

500 Jahre später führt König Christian III. (1503-59) in Dänemark die Reformation durch. Unmittelbar vorher begann sie in Deutschland. Eine Begegnung in Worms mit dem Augustiner-Mönch Martin Luther muss den Dänenkönig Christian tief beeindruckt haben. In ganz Dänemark wurde von nun an im Geist des reformatorischen Glaubens gepredigt und gelebt. Alles änderte sich. Katholisch blieb nicht eine einzige Kirche. Ab sofort wurden die Gottesdienste anstelle von Lateinisch in der Heimatsprache gehalten. Das förderte ein eigenes dänisches Nationalgefühl. Bis heute ist dies prägend erhalten geblieben.

Als einer der bedeutendsten Theologen Dänemarks gilt Søren Kierkegaard (1813-1855). „Einübung in das Christentum“ war eines seiner vielen Schriften. Darin ermutigt er, dem Vorbild Jesu Christi zu folgen. Im Leiden Jesu sah der den Sinn des eigenen persönlichen Leidens. Darüber hinaus attackierte er die Amtskirche. In ihr sah er ein unbewegliches Hindernis, das im Wege stand, das Geheimnis des göttlichen Leidens zu verinnerlichen. „Das Christentum“, so wird Søren Kierkegaard feststellen, „Das Christentum ist bei den meisten Menschen keine Inbrunst mehr, sondern bequeme Gewohnheit.“ Eine Feststellung, die eigentlich auch heute noch gilt.

Søren Kierkegaard wusste, wovon er spricht. Die sogenannte Kopenhagener Marmorkirche beispielsweise erlebte er Zeit seines Lebens als stillgelegte Bauruine. Jahrzehnte zuvor begann man mit der Errichtung dieses monumentalen Gotteshauses. Als Prachtbau wollte König Frederik V. (1723-66) den Hoheitsanspruch des dänischen Königshauses untermauern. Das Bestreben des Königshauses war allerdings hoch ambitioniert. Als Nachahmung, als Kopie, sollte die Kuppel des römischen Petersdomes auf den Kirchbau draufgesetzt werden. Doch während des Baues stiegen die Kosten. Das Königshaus war finanziell restlos überfordert. Jahrzehntelang wurde an der Marmorkirche nicht weitergebaut. Man brauchte fast 150 Jahre, um diese kalte Pracht klassizistischen Spätbarocks schließlich einzuweihen. Heute ist die Kirche für jeden zugänglich. Jedoch, wer die Kirche betritt, bei dem kommt, so würde Søren Kierkegaard sagen, auch heute keine Inbrunst und keine innere Wärme auf.

Das gläubige Herz eines Christen öffnet sich jedoch jedem, der die ausnahmslos wunderschön gepflegten Gotteshäuser im sonstigen weiten Land Dänemarks aufsucht. Da ist viel Sinn für das Detail. Die oft reich mit biblischen Bildern ausgeschmückten Kirchen eröffnen den Besuchern und Betern das Wirken Gottes in unserer Zeit und Welt. Es ist auch Zeichen dafür, wie in großen Teilen der Bevölkerung die Nähe zum Christentum auch heute erhalten geblieben ist.

Und die katholische Kirche? Sie ist eine absolut reine Diasporakirche. Nachdem nach der Reformation auch in den anderen skandinavischen Ländern alle katholischen Bistümer aufgelöst wurden, und erst ab dem 19. Jahrhundert vereinzelte katholische Missionare wieder ins Land reisen durften, konnte erst im Jahr 1953, also nun vor 63 Jahren, ein eigenständiges Bistum Kopenhagen gegründet werden. Das war für die Katholiken ein großes Ereignis. Dennoch, von den 5,7 Mill. Dänen gehören gerade gut 40 Tsd. der Katholischen Kirche an, das sind gerade einmal 0,7% der Bevölkerung.

Im Lebensalltag bedeutet es: die Entfernungen zu einer katholischen Kirche sind oft weit, katholische Nachbarn sind selten, junge Leute kennen keine katholischen Freunde oder Klassenkameraden. Begegnungen mit anderen Katholiken erfolgen in der Regel nicht im Alltag, sondern in der Kirchengemeinde, bei der Sonntagsmesse. Im Bistum Kopenhagen, welches einschließlich der Insel Grönland flächenmäßig zur größten Diözese der Welt gehört, leben gegenwärtig etwa 165 Ordensschwestern, betreuen 70 Ordens- und Weltpriester etwa 45 katholische Kirchengemeinden.

Natürlich gibt es auch viele Anknüpfungspunkte für die Ökumene, die auch intensiv gepflegt werden. Da die katholischen Kirchengemeinden jedoch sehr klein sind, pflegen sie ein eigenes Wir-Gefühl. So gehen Gottesdienstbesucher nach der Feier der Hl. Messe auch nicht gleich auseinander. Sie bleiben! Nach dem Gottesdienst ist Begegnung und Gespräch im Gemeindehaus angesagt während des gemeinsamen Kirchenkaffes. Für die katholischen Christen ist das Treffen nach dem Gottesdienst, so sagte es mal jemand, wie das Feiern „des achten Sakramentes“. Man ist dankbar, sich als Glaubende begegnen zu können. Im Leben einer dänischen Kirchengemeinde ist der Gemeindekaffe daher nicht wegzudenken.

Und irgendwo weht stets die dänische Flagge, das Dannebrok, das leuchtend rote Tuch mit dem weißen Kreuz. Auch wenn viele Dänen sich über dieses Zeichen gar keine Gedanken machen: vorstellen, das Kreuz herauszunehmen, es wegzulassen, kann sich kein Däne. Das Kreuz des Christentums gehört zum öffentlichen Leben des dänischen Volkes wie selbstverständlich mit dazu.

„Das Leben meint es gut mit Dänen und mit denen, denen Dänen nahe stehen“, das witzige Wortspiel dürfen wir getrost in Erinnerung behalten. Und als gutgemeinten Wunsch können wir noch hinzufügen: „Gott möge es auch weiterhin gut meinen mit Dänen und denen, denen Dänen nahe stehen.“

Pfarrer Wolfgang Guttmann