Du führst mich hinaus ins Weite

Liebe Schwestern und Brüder,

stell dir vor, er ist Fastenzeit, und keiner merkt es! Dieser salopp daherkommende Spruch ist oft Realität. Wer nimmt in der Öffentlichkeit die Fastenzeit eigentlich wahr? Über den Zeitpunkt des muslimischen Fastenmonats Rahmadan wird in den Medien berichtet. Wer aber berichtet darüber, dass mit dem Aschermittwoch im Christentum die Fastenzeit anbricht?

Dabei ist Fasten nicht überholt. Chic und modern sind Diätfasten. Heilfasten und Fastenkuren. Doch kann es nicht davon ablenken, dass es mit dem Fasten im christlichen Sinn ein Vermittlungsproblem gibt. Denn Fasten im Sinne Jesu ist mehr als Reduzierung oder Verzicht von Genussmitteln.

Das Fasten im christlichen Sinn will das Lebensgefühl nicht einengen, sondern weiten. Zum Beginn dieser Fastenzeit wird uns im Evangelium (vgl. Mt 4,1-11) Jesus vor Augen gestellt, wie er drei Versuchungen widersteht: zunächst der Versuchung maßloser Sattheit, dann der Versuchung riesiger Machtfülle und schließlich der Versuchung, fälschen Götzen nachzulaufen. In seiner Absage an diese Versuchungen ist uns Jesus uns ein echtes Vorbild.

Jesus ist uns auch ein Vorbild, das Ringen um sinnvolles Fasten nicht an die große Glocke zu hängen. Jesus weiß um die Versuchung, durch heuchlerische Verhaltensweisen öffentliche Anerkennung zu erlangen. So wird Jesus sagen: ?Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, das sage ich euch: sie haben ihren Lohn bereits erhalten? (Mt 6,16).

Von daher macht der salopp gedachte Spruch schon Sinn: Stell dir vor, es ist Fastenzeit, und keiner merkt es. Uns kann dann die fehlende Öffentlichkeit sogar noch willkommen sein. In seinem Innern kann jeder für sich selbst seinen eigenen guten Vorsatz fassen. Fragen Sie sich also zum Beginn der Fastenzeit, wie für Sie dieser gute Vorsatz aussieht?

Tragen Sie im Gebet diesen Vorsatz zu Jesus. Ich bin gewiss, er wird Ihnen die Kraft geben, Ihr Leben zu weiten. Es entspricht dem, was bereits der Beter im Alten Testament feststellt: ?Du, Gott, führst mich hinaus ins Weite, Du befreist mich, denn Du hast an mir Dein Gefallen? (vgl. Ps 18,20).

(Pfarrer Wolfgang Guttmann)