Glaube und Zweifel

Zum 2. Ostersonntag:

In Zeiten von „Fake News“ muss man mit dem Glauben vorsichtig sein. Bei der riesigen Zahl von Meldungen, Meinungen und Nachrichten, die mich über das Internet erreichen ist Vorsicht geboten: Was ist wahr, d.h. was entspricht den Tatsachen? Wo werden Dinge mit Meinungen vermischt und tendenziös dargestellt? Was ist vielleicht komplett erfunden, Propaganda oder Verschwörungstheorie? Das Netz wählt für mich Meldungen aus, die interessant für mich sein könnten, weil ich zu ähnlichen Themen schon Artikel gelesen habe. Es zeigt mir also vor allem das, was ich bereit bin zu glauben. Es bestärkt mich in meiner Meinung. Daher sind Zweifel angebracht. Der Zweifel ist etwas Heilsames: Er ist ein inneres Stoppschild, dass mir sagt: Vorsicht, bitte erst einmal überprüfen, nicht alles glauben!

Was unterscheidet unseriöse und seriöse Nachrichten voneinander, also solche, die zweifelhaft sind von solchen, die glaubhaft sind? Die Journalisten haben sich Kriterien für eine saubere Berichterstattung gegeben. Mit ihnen wollen sie garantieren, dass ihre Berichte vertrauenswürdig sind. Ein Kriterium ist, dass man für eine Nachricht mehr als eine Quelle braucht. Eine Quelle allein kann irren oder bewusst etwas Falsches verbreiten. Ein zweites Prinzip ist die Sorgfalt bei der Auswahl der Themen: Was ist wirklich wichtig und was nicht? Wo soll vielleicht auch etwas verheimlicht werden? Gute Journalisten versuchen, hinter die Dinge zu kommen, Zweifel anzumelden, Themen aufzuspüren. Sie werden dabei kontrolliert von Redaktionen und Presseaufsichten, die dafür Sorge tragen, dass keine halbgaren Storys verbreitet werden und dass nicht nur einseitig berichtet wird. Ein drittes Kriterium ist das Prinzip der Augenzeugen. Nachrichten gewinnen an Glaubhaftigkeit, wenn konkrete Menschen zu Wort kommen, die bei einem Ereignis selbst dabei waren und aus erster Hand berichten können. Deshalb haben die großen Medienanstalten eigene Korrespondenten in der ganzen Welt.

Das alles sind Regeln, um eine möglichst große Glaubhaftigkeit zu erreichen. Aber reichen sie aus? Die Schwierigkeit ist doch, dass eine letzte Sicherheit nie gewonnen werden kann. Wenn unterschiedliche Quellen wiedergeben werden, wer sagt denn, dass sie sich nicht untereinander abgesprochen haben? Wenn es eine Aufsicht gibt, kann es nicht seine, dass diese im Interesse des Staates oder im Interesse von Geheimdiensten die Berichterstattung manipuliert und in eine bestimmte Richtung lenkt? Wenn es Augenzeugen gibt, wer sagt, dass sie die Wahrheit sagen, sondern Dinge so drehen, wie es ihnen gerade passt? Der Glaube an die Verlässlichkeit einer Nachricht lässt sich leicht erschüttern. Letzte Zweifel können, manchmal auch gegen alle Vernunft, immer gesät werden.

Glaube und Zweifel liegen also schon bei den so selbstverständlichen täglichen Nachrichten eng nebeneinander. Sie bekämpfen sich gegenseitig. Wie sollte es beim Glauben an die Auferstehung anders sein? Es geht um ein Ereignis vor knapp 2000 Jahren, von dem es nur schriftliche Berichte gibt. Und es geht um ein Ereignis, dass nach menschlichen Maßstäben unmöglich ist – wie kann es sein, dass jemand die Pforte des Todes durchschritten hat und wieder zum Leben gekommen ist? Das Problem ist uralt. Der Auferstehungsglaube hat schon zur Zeit der ersten Christen für heftige Auseinandersetzungen gesorgt. Deshalb berichtet Johannes vom Heiligen Thomas. Er hatte Jesus nicht gesehen, als dieser zu den Jüngern kam, deshalb zweifelte er an ihren Berichten. Erst als Jesus ihm selbst erscheint und ihm anbietet anhand seiner Wunden seine Identität zu überprüfen, kommt er zum Glauben. Und Johannes schreibt für die Christen seiner Zeit: Thomas hatte gesehen und glaubte, selig ist aber, wer glaubt, obwohl er nicht sieht. Das bedeutet: Selig ist, wer den Aposteln als Überbringer der Nachricht von der Auferstehung Glauben schenkt. Es ist tatsächlich so: Nur der Glaube und die Berichte der Apostel sind die Brücke zum Auferstandenen. Sie erzählen von ihren Begegnungen mit Jesus nach seinem Tod, sehen sich vom Heiligen Geist geleitet in der Lage, den Glauben weiterzugeben und in Jesu Namen zu handeln. Aus den Berichten der Apostel sind die Schriften des Neuen Testaments entstanden und aus ihnen die Tradition der Kirche, in der wir bis heute stehen. Ist eine solche Quelle glaubhaft? Muss man an ihr nicht zweifeln?

Ich habe ein schönes Zitat von Charles Colson gefunden. Colson war Pressechef von Präsident Richard Nixon. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass die unangenehmen Tatsachen rund um den Watergate-Skandal nicht ans Tageslicht kommen. Er organisierte also Lügen und Ablenkungen, in der Hoffnung, die Wahrheit unter dem Tisch zu halten. Später war er einer der ersten, der diese Lügen zugab. Colson verglich den Watergate-Skandal und die Auferstehungsbotschaft miteinander und sagte: „Ich weiß, die Auferstehung ist eine Tatsache und Watergate hat es mir bewiesen. Denn 12 Männer bezeugten, sie hätten den von den Toten auferstandenen Jesus gesehen, dann erzählten sie diese Wahrheit 40 Jahre lang, ohne sie einmal zu widerrufen. Jeder von ihnen wurde geschlagen, gefoltert, gesteinigt und ins Gefängnis geworfen. Sie hätten das nicht durchgehalten, wenn das, was sie verkündeten nicht wahr gewesen wäre. In die Watergate-Affäre waren 12 der mächtigsten Männer der Welt verwickelt und sie konnten eine Lüge keine drei Wochen aufrecht erhalten. Willst du mir erzählen 12 Apostel hätten eine Lüge 40 Jahre lang behaupten können? Absolut unmöglich!“

Was Colson hier benennt sind Glaubwürdigkeitskriterien, ähnlich wie bei den Nachrichten auch: Es braucht mehrere Quellen, die dasselbe sagen, hier die 12 Apostel. Auch wenn wir nicht viel über die einzelnen Apostel wissen, wissen wir, dass bezüglich der Auferstehung ihr Zeugnis so einmütig gewesen sein muss, dass es in den verschiedenen Schriften der Bibel diesbezüglich keine Abweichungen gibt. Dann geht es um die persönliche Glaubwürdigkeit der Augenzeugen. Sie waren bereit, für diese Botschaft ihr Leben zu verlieren. Und schließlich führt Colson noch ein Argument an: Lügen haben kurze Beine, früher oder später kommen sie ans Tageslicht. Aber dass sich der Glaube an die Auferstehung bis heute hält, spricht für seine Wahrheit. Colsons Argumente stützen die Glaubwürdigkeit. Aber auch seine Argumente können wieder in Zweifel gezogen werden, wie jede Nachricht, wie sogar jede Tatsache. Der Zweifel lässt sich nie beseitigen. Deshalb braucht es für den Glauben an die Auferstehung noch ein weiteres. Es geht nicht nur um rationale Argumente. Sondern es geht um ein inneres Erleben, um eine Erfahrung. Zum Glauben gehört mehr als ein rationales Überzeugt-Sein. Er braucht eine innere Übereinstimmung. Die ergibt sich wie bei Thomas aus einem Erlebnis. Wer Gott schon einmal begegnet ist, auf welche Weise auch immer, wird ein Gefühl für ihn bekommen. Es zeigt sich: Die Auferstehung ist nicht nur objektiv eine Wahrheit, sondern auch subjektiv. Es fühlt sich richtig an, an sie zu glauben. Das Gefühl wächst aus der Erfahrung eines Gottes, der mir gut will und der mich immer wieder in das Leben führen möchte. Ein solcher Gott ist der erste und wichtigste Zeuge der Auferstehung. Denn sein Zeugnis ist wahr.

(Pfarrer Dr. Georg Bergner)